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„Der Bericht ist eine umfassende Bestätigung der Politik der Bundesregierung zum Thema Contergan.“

Im Rahmen des 4. Conterganstiftungsänderungsgesetzes wurde festgelegt, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag nach zwei Jahren dazu einen Evaluationsbericht erstellen soll. Dieser liegt dem Parlament und damit der Öffentlichkeit jetzt vor. Wir befragten den Vorsitzenden der Conterganstiftung, Dieter Hackler, nach dem Inhalt des Evaluierungsberichts und dessen Konsequenzen.

 

Herr Hackler, die Evaluierung des Conterganstiftungsgesetzes liegt jetzt vor. Wie und durch wen wurde der Bericht erstellt?

Die Bundesregierung hatte den gesetzlichen Auftrag, über das zum 01.01.2017 in Kraft getretene 4. Änderungsgesetz des Conterganstiftungsgesetzes zu berichten. In dem vorgelegten Bericht geht es insbesondere um die Wirkung der Pauschalierung der Leistungen für spezifische Bedarfe. Um belastbare Ergebnisse präsentieren zu können, hat die Bundesregierung das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Kruse beauftragt, die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen von 2017 zu untersuchen.

Das „Gutachten über die Auswirkungen der Pauschalierung der Leistungen für die spezifischen Bedarfe und des Beratungs- und Behandlungsangebotes für die Leistungsberechtigten nach dem Conterganstiftungsgesetz durch das Vierte Änderungsgesetz des Conterganstiftungsgesetzes“ bildet die Grundlage und ist dem Bericht der Bundesregierung (hier abzurufen) beigefügt.

 

Kurz zusammengefasst: Welche Ergebnisse hat die Evaluierung gebracht?

Insgesamt ist der Bericht eine umfassende Bestätigung der Politik der Bundesregierung zum Thema Contergan. Die Einführung der Pauschalierung für die spezifischen Bedarfe hat entlastende Freiräume für die Betroffenen gebracht und damit ihre Autonomie gestärkt. Zugleich hat es die Mitarbeitenden der Conterganstiftung von einer sehr belastenden Bewilligungsarbeit befreit. Die dadurch frei gewordenen Personalkapazitäten konnte die Conterganstiftung zum Aufbau einer vom Gutachten anerkannten Beratungs- und Lotsenfunktion nutzen.

 

Die Arbeit der Conterganstiftung wurde also positiv bewertet?

Ja. Im Bericht würdigt Prof. Kruse in diesem Zusammenhang die hohe Expertise und hohe Identifikation der Mitarbeitenden der Conterganstiftung, die sich sehr gut in die soziale und existenzielle Lage der Betroffenen hineinversetzen. Wir freuen uns, dass das Vertrauen in die Conterganstiftung wächst und die Arbeit immer wieder anerkannt wird. Das ist vor allem erfreulich für unsere Mitarbeitenden, die mit Freude und Engagement ihre Arbeit tun. Nun kommt es darauf an, dass dieses Angebot auch gesetzlich verankert wird.

Prof. Kruse regt aber ebenso an, eine psychosoziale und psychotherapeutische Beratung für die Leistungsberechtigten der Conterganstiftung anzubieten.

 

Wie ist die Position der Stiftung zu diesem Änderungsvorhaben?

Der Vorstand der Conterganstiftung begrüßt das Anliegen selbst nachdrücklich. Allerdings sollte nach unserem Verständnis eine solche Beratung möglichst persönlich und vor Ort erfolgen können. Im Rahmen der Beratungs- und Lotsenfunktion der Conterganstiftung werden wir daher in Verbindung mit den neuen Kompetenzzentren versuchen, ein Netzwerk für solche komplexen Beratungsbedarfe zu erstellen. Wir glauben, dass die Kompetenzzentren gerade auch in Verbindung mit den Leistungsberechtigten hier wichtige Impulse setzen werden.

 

Der Evaluationsbericht empfiehlt außerdem, dass die Betroffenen zukünftig die jährliche Pauschale zur Deckung Spezifischer Bedarfe kapitalisieren können. Halten Sie diese Maßnahme als Ergänzung zur Kapitalisierung der Conterganrente für notwendig?

Die Notwendigkeit dieser Maßnahme sehen wir so nicht. Wir gehen davon aus, dass es grundsätzlich ausreicht, die Rente kapitalisieren zu können, vor allem, wenn es dafür nach den neuen Regelungen des Sozialen Entschädigungsrechtes, die am 01.01.2024 in Kraft treten, keine Altersgrenze mehr gibt. Wir meinen, dass die pauschale Leistung für die spezifischen Bedarfe in der Tat für die Bedarfe gebraucht wird. Aber das entscheidet der Gesetzgeber.

 

Sie haben kürzlich das BMFSFJ dazu ersucht, die Mittel für die Sonderzahlung mit einer Einmalzahlung vollständig an die Betroffenen auszuschütten, da die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel nicht wie ursprünglich geplant bis zum Jahr 2033 für eine Auszahlung in der bisherigen Höhe reichen. Die Bundesregierung empfiehlt nun eine Weiterentwicklung der jährlichen Sonderzahlung. Wie bewerten Sie diese Position?

Wir hoffen, dass unser Vorschlag vom Parlament positiv aufgegriffen wird. Es ergibt für die Conterganstiftung wenig Sinn, Geld zu Minuszinsen, also mit absehbarem Verlust, anzulegen. Genau das wird aber ab März 2022 wahrscheinlich so sein. Hier sollte schnell mit der Firma Grünenthal als Zustifter ein Konsens herbeigeführt werden, damit die Betroffenen das Geld für Ihre Zwecke hier und jetzt ausgeben können. Manch einer würde einen Betrag von beispielsweise 20.000 € in eine Versicherung zur Absicherung von Angehörigen einzahlen oder wichtige Anschaffungen vornehmen wollen. Die Sonderzahlungen haben wir damals eingerichtet, als die Renten noch deutlich niedriger waren.

 

Was passiert nun? Kann etwa in dieser Legislaturperiode noch mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Bundesregierung gerechnet werden?

Ob die Zeit für weitere Gesetzesänderungen noch reicht, will ich nicht beurteilen, das ist Sache der Parlamentarier und der Bundesregierung. Aber in jedem Fall werden die Abgeordneten aufgrund des Berichts noch wichtige Impulse geben und Vorarbeiten für die nächste Legislaturperiode machen. Ich schließe also nicht aus, dass es in dieser Legislatur noch zum 6. Änderungsgesetz des Conterganstiftungsgesetzes kommen kann. Wir als Conterganstiftung arbeiten selbstverständlich gern daran mit.