Das Bild zeigt Papierakten auf einem Stapel

Was passiert mit Patientenakten? – Fragen und Antworten

Im Frühjahr 2021 kam es zur Schließung der orthopädischen Praxis von Dr. Jürgen Graf in Nürnberg. Die Praxis war mit ihrer Contergansprechstunde für viele Menschen mit Conterganschädigung eine wichtige Anlaufstelle. Zudem engagierte sich Dr. Graf als orthopädischer Fachgutachter in der medizinischen Kommission der Conterganstiftung. Mit der Schließung seiner Praxis beendete er einige Monate später auch seine Arbeit in der medizinischen Kommission.

Da die Praxis nicht übernommen wurde, fragen sich die ehemaligen Patienten, was mit ihren Patientenakten passiert. Die Conterganstiftung hat die Anfragen der Betroffenen gesammelt und juristisch prüfen lassen.

Mit diesem Beitrag gibt die Conterganstiftung einen Überblick über die Handlungsmöglichkeiten der Patientinnen und Patienten in Bezug auf ihre Patientenakte.

 

Was passiert mit meiner Patientenakte nach der Schließung einer Praxis?

Geführte Patientenakten, zu deren Anlage und Führung jeder Arzt verpflichtet ist, sind grundsätzlich vom Arzt nach Abschluss der Behandlung oder Schließung der Praxis 10 Jahre aufzubewahren. Dies ist in der Berufsordnung der Bundesärztekammer so festgelegt. Ausnahmen bzw. längere Aufbewahrungspflichten gelten u.a. für Röntgenbilder.

Ist es dem Arzt nicht möglich, die Patientenakten ordnungsgemäß aufzubewahren, kann er die Aufbewahrung an einen anderen Arzt übertragen. Dies nennt man in „gehörige Obhut“ geben. Dabei ist zu beachten, dass die Obhut ausschließlich Ärzte oder Ärztinnen übernehmen, da sie ebenfalls der Schweigepflicht unterliegen. Eine Übertragung an (kommerzielle) Unternehmen oder Organisationen ist ausgeschlossen. Hierbei haben die Ärztinnen und Ärzte, die die Akten in „gehörige Obhut“ nehmen, keine Berechtigung, die Patientenakten einzusehen. Die Akten sind unter Verschluss zu halten.

 

Darf ich entscheiden, an welchen Arzt oder Ärztin ich meine Patientenakte als „gehörige Obhut“ übergebe?

Nein, denn der Patient hat kein Verfügungsrecht über die Patientenakte. Diese Entscheidung obliegt einzig und allein dem Arzt, der die Patientenakte erstellt hat.

 

Habe ich denn das Recht, über die Inhalte der Patientenakte in irgendeiner Weise zu verfügen?

Jeder Patient hat das Recht auf eine Einsicht in seine oder ihre Patientenakte. Kosten die dabei entstehen könnten, müssen die Patienten selbst tragen. Dazu dürfen die Patienten eine Kopie der Akte verlangen. Eine Herausgabe des Originals an die Patienten ist nicht möglich, da der Arzt an die Verpflichtung gebunden ist, die originalen Akten 10 Jahre aufzubewahren oder eben in „gehörige Obhut“ zu geben.

 

Was passiert mit meiner Patientenakte nach den zehn Jahren Aufbewahrung?

Nach zehn Jahren kann der Arzt grundsätzlich selbst entscheiden, was mit den Akten passiert. Entweder werden sie ordnungsgemäß entsorgt oder sie können den Patienten ausgehändigt werden, soweit die Akten keine Daten Dritter enthalten. Die Daten dritter Personen sind durch den Datenschutz gesichert. Aber auch nach den 10 Jahren besteht keine Pflicht, die Originalakte herauszugeben. Die Herausgabe beruht demnach auf Kulanz des Arztes.

 

In den Akten sind Informationen enthalten, die für die medizinische Kommission von Interesse sein könnten. Besteht die Möglichkeit, dieses Wissen vor Ablauf der 10-Jahresfrist zur Verfügung zu stellen?

Die Herausgabe der Originalakten vor Ablauf der Aufbewahrungspflicht ist nicht erlaubt, relevantes Wissen kann allerdings separat und mit Einwilligung der Patienten zusammengetragen und der medizinischen Kommission zur Verfügung gestellt werden. Ebenfalls steht dem nichts entgegen, wenn die Patienten eine Kopie ihrer Akte der medizinischen Kommission zur Verfügung stellen, sofern die Kopie keine personenbezogenen Daten Dritter beinhaltet.

 

Hinweis: Bei den Akten, die bei Herrn Dr. Graf liegen, handelt es sich um Patientenakten aus dessen Contergansprechstunde. Die Akten stehen in keinem Zusammenhang mit der Conterganstiftung oder der Medizinischen Kommission. Die Conterganstiftung hat somit keine Möglichkeit die Akten anzunehmen und kann überdies auch nicht als Vermittler zu Herrn Dr. Graf eintreten.

Das juristische Gutachten können Sie hier einsehen.

 

Sie haben Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie unser Kontaktformular, um auf diesen Beitrag zu reagieren.