Das Foto zeigt einen Konferenzraum mit Stuhl im Vordergrund, mit Stift und zwei Notizbüchern auf der Sitzfläche

Das Fundament für eine funktionierende Vernetzung ist gelegt

Die Arbeit der Multidisziplinären Medizinischen Kompetenzzentren hat 2022 Fahrt aufgenommen. Erklärtes Ziel ist es, eine angemessene und zukunftsorientierte Versorgungsstruktur für Menschen mit Conterganschädigung aufzubauen – gefördert von der Conterganstiftung. Zehn solcher Zentren soll es, verteilt auf die Republik, geben. Derzeit fördert die Conterganstiftung acht. Ende Oktober fanden die Vertreterinnen und Vertreter dieser Einrichtungen bei einem Gesamttreffen in Düsseldorf zu einer ersten Standortbestimmung zusammen.

 

Treffen im Haus der Ärztekammer Nordrhein

Eröffnet wurde das Gesamttreffen durch Dr. Rudolf Henke, den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein. Er freue sich, dass das Zusammentreffen im Haus der Ärzteschaft stattfand, als dessen Hausherr er alle begrüßte. Stiftungsvorstand Dieter Hackler moderierte und sagte einführend zu den Intentionen der Stiftung: „Der Conterganstiftung ist die Sicherstellung einer medizinischen und altersgerechten Perspektive für unsere Betroffenen ein ungemein großes Anliegen“. Dies gelte unabhängig des gesetzgeberischen Auftrags im Rahmen des Stiftungsgesetzes.

Im Zentrum allen Handelns ständen drei zentrale Fragen: „Wie können die Betroffenen im Alter selbstständig wohnen und leben? Wie sieht die medizinische Versorgung in Zukunft aus?“ Und: „Wie kann eine psychosoziale Begleitung im Alter gestaltet werden?“ Hackler verwies auf die ersten Projekte, die von den Teams der vier bereits 2021 erstmals geförderten Kompetenzzentren in Nümbrecht, Bad Sooden-Allendorf, Hamburg und Diakovere in Hannover auf den Weg gebracht worden seien.

 

Interessenvertretungen mit dabei

Am Gesamttreffen nahmen auch Betroffenenvertreter aus dem Stiftungsrat teil. Namentlich Christian Stürmer, Bettina Ehrt sowie Udo Herterich vom Bundesverband Contergangeschädigter e. V. So erhielten sie Gelegenheit, den Entwicklungsstand zu verfolgen und sich aktiv zur inhaltlichen Weiterentwicklung der Projektvorhaben einzubringen. Zwischen Zentrumsverantwortlichen, Stiftungsvorstand und den Betroffenenvertretern kam es– auch am Rande der Veranstaltung – zu einem konstruktiven und offenen Austausch.

Die Einbindung der Betroffenen und ihrer Interessen- und Verbandsvertretungen ist ein wichtiger Baustein des Netzwerkens. Ein Beispiel dafür sind die bereits bestehenden „Patenschaften“ verschiedener Landesverbände, die die jeweiligen regionalen Einrichtungen bei der Projektausgestaltung begleiten. Die vier Kompetenzzentren, die bislang noch ohne eine solche „Patenschaft“ sind, würden sich über eine solche Zusammenarbeit freuen.

Über die konkreten Projekte sowie die Kooperationen an den jeweiligen Standorten können Sie sich hier informieren.

 

„Daten über Menschen für Menschen“

Sieben der acht Vertretungen aus den geförderten Kompetenzzentren waren anwesend, um sich einander vorzustellen. So etwa die Schön Klinik in Hamburg, vertreten durch Oberarzt Dr. Rudolf Beyer oder die Klinik Hoher Meißner in Bad Sooden-Allendorf und ihr Chefarzt Dr. Volker Stück. Sie alle haben eine bereits ausgewiesene Expertise im Bereich der medizinischen Versorgung von Menschen mit Conterganschädigung.

Den Einstieg in die Vorstellung der Kompetenzzentren machte Prof. Dr. Peters von der Dr. Becker Rhein-Sieg Klinik in Nümbrecht – auch hier wurde über viele Jahre Know-how aufgebaut. Peters sagte, es sei eine wichtige Aufgabe, „nicht nur Daten über Menschen zu sammeln, sondern vor allem für die Menschen“. Handlungsbedarf sehe er vor allem bei den Themen Folgeschäden im Alterungsprozess, Schmerztherapie und psychologische Behandlung. Daher seien die Vernetzung der verschiedenen Kompetenzzentren, ein in die Tiefe gehender Austausch und die Nutzung der sich bietenden Synergien ein zentrales Anliegen des Netzwerkes.

 

Expertisen nutzen, Synergien schaffen

Entscheidend für eine erfolgreiche Vernetzung ist die gegenseitige Nutzung und Einbindung der Kompetenzentren untereinander. Nümbrecht arbeitet beispielsweise eng mit den Unikliniken Aachen und Köln zusammen. Im letztgenannten bietet Dr. Alexander Niecke seit 2017 eine psychosomatisch-psychotherapeutische Sprechstunde für Menschen mit Conterganschädigung an. Seit diesem Jahr gehört die Uniklinik Köln zum Netzwerk der Kompetenzzentren. Ebenso wie das Universitätsklinikum Aachen, das durch Dr. Andrea Maier vertreten wurde. Hier liegt der Schwerpunkt auf Neurologie und Orthopädie. 2022 erfolgte die Gründung des Contergan Zentrum Aachen (CZA).

Ebenfalls neu zum Netzwerk der Multidisziplinären Medizinischen Kompetenzzentren gehören seit 2022 die Diakovere Hannover, das Johannesbad Raupennest im Sächsischen Altenberg sowie das Heilbad Krumbad in Krumbach. An der heutigen Diakovere war 1963 im Annastift bereits eine Dysmelie-Station eröffnet worden. Für Leiter Prof. Dr. Stephan Martin schließt sich damit ein Kreis, da das Zentrum für die Behandlung von Menschen mit Conterganschädigung auf der ehemaligen Kinderstation für Kinder mit Conterganschädigung erfolgt. Wie auch Aachen ist die Diakovere ein „Maximalversorger“ mit MZEB-Zertifizierung (Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderung).

Dr. Friedemann Steinfeld, Leitender Chefarzt und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Kompetenzzentrum Johannesbad Raupennest, rekurrierte vor allem auf die Spätfolgen der conterganbedingten Folgeerkrankungen. Diese stehen dort besonders im Fokus. Das Kompetenzzentrum in Altenberg/Sachsen deckt den Osten der Republik ab, in dem es nur wenige, meist nach der Wende zugezogene Betroffene gibt.

Die Vorstellung des achten Zentrums, dem Heilbad Krumbad in Krumbach, musste leider entfallen. Geschäftsführer Peter Heinrich hatte kurzfristig absagen müssen. Das Heilbad ist eine Rehaklinik mit staatlich anerkanntem Peloidkurbetrieb und mit seiner Gründung 1390 das älteste Heilbad in Schwaben.

 

Vertiefung des Austauschs

Der rege Austausch wurde auch im Anschluss an die Veranstaltung bei informellen Gesprächen fortgesetzt. Genau dies soll nun regelmäßig passieren. Ab dem kommenden Jahr sind dazu weitere Zusammenkünfte anberaumt – regional wie bundesweit. Der Fokus liegt auf dem „Mehrwert“ möglicher Kooperationen, um die Menschen mit Conterganschädigung auf hohem Niveau umfassend versorgen zu können. In Düsseldorf wurde dafür das Fundament gelegt.

Nach einhelliger Meinung war das Zusammentreffen ein voller Erfolg. Teilnehmende, Stiftung und Betroffenenvertretungen zeigten sich zufrieden. Als erste Standortbestimmung der geförderten Kliniken und ihrer medizinischen Angebote war das Treffen daher ein gelungener Start in die gemeinsame Arbeit. Die Offenheit und Bereitschaft, gemeinsam etwas zu erreichen, war deutlich zu spüren.

Eine Übersicht mit den detailieten Profilen und Schwerpunkten sowie Fotos aller geförderten Kompetenzzentren finden Sie hier

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