Dieter Hackler, Vorstandsvorsitzender

Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Contergangeschädigter. e. V.

Der Bundesverband hat den Vorstand der Conterganstiftung zu seiner Mitgliederversammlung am 12.04.2025 in Bad Nauheim eingeladen. Der Vorstandsvorsitzende, Dieter Hackler, ist dieser Einladung gerne gefolgt und hat über die aktuelle Arbeit der Stiftung berichtet. Im Folgenden finden Sie seine Rede.

 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, liebe Frau Sattler, liebe Vorstandsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst danke ich Ihnen sehr herzlich für die Einladung zu Ihrer Mitgliederversammlung nach Bad Nauheim. Ich bin gern gekommen, um über die Arbeit der Conterganstiftung zu unterrichten. Das ist inzwischen eine gute Tradition geworden. Ich kann ihrem ehemaligen Vorsitzenden, Herrn Herterich, an dieser Stelle nur sehr herzlich danken, dass er die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Conterganstiftung wieder aufgegriffen hat. Überhaupt möchte ich mich bei Herrn Herterich für das vertrauensvolle Miteinander zwischen Stiftung und Bundesverband in den letzten Jahren sehr herzlich bedanken und in diesen Dank schließe ich natürlich den gesamten Vorstand, aktuell unter Ihrer Leitung, Frau Sattler, herzlich mit ein.

Meine beiden Vorstandsmitglieder bitte ich zu entschuldigen. Wir waren von Montag bis Mittwochabend zur Besichtigung der Kompetenzenzzentren gemeinsam in Hamburg und Hannover und hatten am Donnerstag noch unsere wöchentliche Telefonkonferenz.

Gerne möchte ich Sie über die Gefäßstudie, die multidisziplinären medizinischen Kompetenzzentren und ihre Entwicklung unterrichten, über die Arbeit der Medizinischen Kommissionen, unsere regelmäßigen Gesprächskontakte, die Expertinnen und Expertenkommission sowie die Lebensbescheinigungen.

 

1. Die Gefäßstudie

 

Entgegen mancher Fake News möchte ich noch einmal klarstellen, dass ich, seit ich im Vorstand tätig bin, alles darangesetzt habe, dass wir die Gefäßstudie beauftragen konnten. Das war ein sehr hartes Stück Arbeit. Nicht nur weil das federführende Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sich aus dem Projekt zurückgezogen hat, als der Zuwendungsbescheid ergangen war. Auch der Weg bis zur Vergabe war höchst anstrengend, da von dem damaligen Studienleiter, Prof. Lund, kein schlüssiger Förderantrag vorgelegt wurde. Die in seinem „Antrag“ zugrunde gelegten Kosten beliefen sich auf rund 500.000 €. Sie wissen, dass wir die Gefäßstudie in einem Volumen von 2,4 Millionen Euro vergeben haben.

Unter der Federführung der Uniklinik Köln musste ein Neustart mit Datenschutz und Ethikvotum unter Coronabedingungen erfolgen.

Wir freuen uns, dass die Studie an den Unikliniken in Köln und Ulm problemlos läuft. Den Studienleitungen ist es gelungen, die Abläufe am Tag der Untersuchung so zu optimieren, dass den meisten Probandinnen und Probanden die An- und Abreise am Untersuchungstag möglich sind. Bislang wurde am Untersuchungstag von keiner Betroffenen Person ein Gebärdendolmetscher angefordert.

Unsere Studie zu den Gefäß- und Organanomalien gehört übrigens zu den deutschlandweit größten dieser Art. Aufgrund ihrer Komplexität und der anhaltenden Forschung zu Thalidomid planen die Professorinnen und Professoren die Ergebnisse in renommierten Fachjournalen zu veröffentlichen in deutscher und englischer Sprache.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass auch Angehörige, Partnerinnen und Partner, sofern sie die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen, als Kontroll-Probandinnen oder -Probanden untersucht werden können.

Patientenausfälle entstehen bei unseren Teilnehmenden fast nicht. Die Abbruchquote liegt bei 3,6 % und damit deutlich unter dem Durchschnitt klinischer MRT Untersuchungen, der bei 10 % liegt.

Uns freut der gute Verlauf der Studie sehr und wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr gute und belastbare Ergebnisse bekommen werden.

 

2. Die multidisziplinären medizinischen Kompetenzzentren

 

Im Übergang zu den Kompetenzzentren muss ich noch ausdrücklich ein Nebenprodukt unserer Gefäßstudie erwähnen. In Einzelfällen wurden Krebserkrankungen entdeckt, die Gott sei Dank, im Frühstadium erkannt, gut behandelt werden konnten. Dieses Thema Krebserkrankung spielt auch in den Kompetenzzentren eine Rolle. Mit zunehmendem Alter über 65 müssen wir damit rechnen, dass es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit gibt, an Krebs zu erkranken. Ganz wichtig ist daher, die Angebote der Vorsorgeuntersuchungen anzunehmen. Ich verweise hierzu auf die neu entstandene Rubrik zum Thema „Krebsvorsorge“ auf unserer Homepage, an der auch Prof. Dr. Naumann, Mitglied der Expertinnen- und Expertenkommission sowie Facharzt für Onkologie und Hämatologie mitarbeitet.

Nachdem inzwischen die zehn Kompetenzzentren im Dienst sind, die Kompetenzprofile der Zentren auch vorliegen, läuft die Vernetzung der Zentren erfolgreich. Bei unseren Besuchen zusammen mit den Betroffenen-Vertretungen aus dem Stiftungsrat und den Verbandspaten erleben wir sehr engagierte Medizinerinnen und Mediziner, die sich mit äußerster Sorgfalt um das Wohl von Menschen mit Conterganschädigung kümmern, die sich gegenseitig unterstützen und anregen, die ihr Wissen den behandelnden Hausärzten zur Verfügung stellen, wenn das gewünscht ist. Auch das Pflegepersonal in den Einrichtungen und die Mitarbeitenden in den Verwaltungen sind mit Empathie für Menschen mit Conterganschädigung im Einsatz.  Mich hat wirklich sehr beeindruckt, welche Möglichkeiten der Schmerztherapie zur Verfügung stehen aber auch welche Möglichkeiten der Rehabilitation durch modernste Technik und Medizin gegeben sind. Erfreulich ist, dass die Nutzerzahlen nach Corona wieder deutlich ansteigen.

Wir wollen dies zukünftig mit Vorstellungsvideos auf unserer Homepage zusätzlich unterstützen, in denen die handelnden Personen und die Möglichkeiten der Einrichtungen vorgestellt werden.

Ein Produkt aus der Vernetzungsarbeit wird alle Betroffenen mit dem nächsten Infobrief erreichen: Wir haben in Zusammenarbeit mit dem zehn Kompetenzzentren einen Notfallpass für Menschen mit Conterganschädigung erarbeitet.

Des Weiteren schreiben wir die Gesundheitsminister des Bundes und der Länder an, im Zuge der Krankenhausreform in allen Maximalversorgungskrankenhäusern Patientenzimmer für Menschen mit Conterganschädigung einzurichten und sicherzustellen, dass auch eine Unterbringung der Assistenz ermöglicht wird.

Eine weitere Planung ist, dass wir eine Internet-Seite nur für die Kompetenzzentren mit Wissenstransfer für die behandelnden Hausärzte einrichten. Dazu gibt es jetzt schon einen Newsletter und immerhin über 150 Haus- bzw. Vertrauensärzte sind Ihrerseits benannt worden. Langfristig soll auch eine Telemedizinische Beratung möglich werden.

Im Zusammenhang mit den Kompetenzzentren kann ich noch einflechten, dass die Conterganstiftung im vergangenen Jahr durch den Bundesrechnungshof intensiv geprüft wurde. Diese Prüfung verlief ausgesprochen konstruktiv und in positiv beratender Atmosphäre. Der gesamte Prüfungsprozess war ausgesprochen wertschätzend und für unsere Geschäftsstelle und den Vorstand eine sehr schöne Bestätigung unserer Arbeit. Für die Kompetenzzentren haben wir hilfreiche Hinweise für den Qualitätssicherungsprozess bekommen.

 

3. Die Medizinischen Kommissionen

 

Nach Verabschiedung der Geschäftsordnung für die medizinischen Kommissionen durch den Stiftungsrat im Oktober 2024 haben die beiden Kommissionen zum 1. November ihre Arbeit aufgenommen und inzwischen erste Entscheidungen vorgelegt. Dadurch, dass jetzt Kollegialentscheidungen nach Vorlage aller Gutachten in einzelnen Sitzungen erfolgen, verlängert sich die Bearbeitungszeit. Aber dafür sind die Entscheidungen der medizinischen Kommissionen nun auch in formaler Hinsicht rechtssicher und entsprechen auch den Vorgaben des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) in Münster.

Noch ein Hinweis zum Thema Beweismaßstab: Anträge, bei denen die Frage des anzuwendenden Beweismaßstabs entscheidungserheblich ist, werden selbstverständlich bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - voraussichtlich im Juli 2025 - zurückgestellt. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine geringe Anzahl zu bearbeitender Fälle, da hiervon ausschließlich Neuanträge betroffen sind.

Die Inkraftsetzung der neuen Geschäftsordnung bereits vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ermöglicht es hingegen, sämtliche weiteren offenen Anträge - insbesondere solche, bei denen der Beweismaßstab nicht entscheidungserheblich ist - auf Grundlage der durch das Oberverwaltungsgericht in Münster entwickelten und nunmehr in der Geschäftsordnung verankerten Verfahrensgrundsätze durch die Medizinischen Kommissionen sachgerecht zu prüfen und zu bescheiden.

 

4. Kontakt zu den Betroffenen

 

Erste Priorität für den Vorstand und die Geschäftsstelle hat der Kontakt zu den Menschen mit Conterganschädigung. Wir stehen im regelmäßigen Gesprächskontakt mit dem Vorstand des Bundesverbandes, dem Vorstand des Contergannetzwerks, dem Vorstand der ICTA, den Vertretern der Gehörlosen und den Betroffenenvertretern im Stiftungsrat. Wir treffen die Vertretungen der Verbände bei den Besichtigungen der Kompetenzzentren, bei Regionaltreffen und Gesamttreffen.

Darüber hinaus bieten wir zweimal im Jahr Gesprächsrunden für Menschen mit Conterganschädigung im Ausland - Irland, Brasilien und England - an.

Außerdem gibt es das Angebot für Einzelgespräche sowohl in persönlicher Form als auch im Online-Format. Meist geht es um Fragen der medizinischen Versorgung vor Ort, aber auch nach geeigneten Wohnformen im Alter werden wir gefragt.

Darüber hinaus informieren wir mit zwei Infobriefen im Jahr alle Menschen mit Conterganschädigung und natürlich erfreuen sich unser Infoportal und der Newsletter großer Beliebtheit.

Wir freuen uns über die vielen positiven Rückmeldungen zu unserer Arbeit aus dem Kreis der Betroffenen. Dazu trägt natürlich der Beratungsbereich auch ganz erheblich bei.

Vielleicht kann ich an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass wir eine öffentlich-rechtliche Stiftung sind, keine privatrechtliche Stiftung und keine Lobbyorganisation. Das sind Sie als Bundesverband und das Contergannetzwerk. Wir haben einen klaren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Dafür ist der Vorstand verantwortlich. Das ist unsere Aufgabe und unser Auftrag. Der Stiftungsrat beaufsichtigt, dass wir diesen Auftrag erfüllen.

 

5. Die Expertinnen- und Expertenkommission

 

Die Expertinnen- und Expertenkommission arbeitet unabhängig vom Vorstand der Conterganstiftung unter der sachkundigen und klugen Leitung von Frau Barbara Steffens und Herrn Dr. Niklas Lenhard-Schramm. Was wir von Kommissionsmitgliedern hören, lässt uns sehr zuversichtlich sein, dass wir gute Empfehlungen bekommen, die wir an die Politik herantragen können, um die Lage von Menschen mit Conterganschädigung im Blick auf medizinische Versorgung und psychosoziale Begleitung gut auszugestalten. Wir erwarten den Bericht auch im kommenden Jahr.

 

6. Lebensbescheinigungen

 

Ein leidiges Thema muss ich noch einmal ansprechen. Zurzeit läuft in der Geschäftsstelle der 2. Mahnungsvorgang zur Vorlage der Lebensbescheinigungen. Uns ist bewusst, dass die Vorlage Arbeit macht. Aber wir können darauf nicht verzichten. Erstaunlich ist, dass nach Ausbleiben der Rentenzahlung nahezu alle ausgeblieben Lebensbescheinigungen unmittelbar die Geschäftsstelle erreichen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihre Möglichkeiten nutzen, um für eine schnelle Abgabe der Lebensbescheinigungen zu werben.

 

Zum Schluss:

Die Arbeit im Vorstandmacht uns drei Vorstandsmitgliedern viel Freude. Wir arbeiten vertrauensvoll und fröhlich zusammen, haben unter der Leitung von Frau Held ein starkes Team in der Geschäftsstelle, haben eine hervorragende Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden des Stiftungsrates, Herrn Schulze, und seinem Team und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), dem Bundesministerium der Finanzen (BMF), dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

 

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