Das Bild zeigt zwei Mehrfamilienhäuser mit Balkonen

Wo und wie leben im Alter?

Dass alte oder pflegebedürftige Menschen im Haushalt der eigenen Kinder wohnen – früher eher die Norm – ist heute zur Ausnahme geworden. Mobilität, gestiegene Arbeitsbelastung der Kinder, die Zunahme von Single-Haushalten oder fehlender Wohnraum haben diesen Trend begünstigt. Aber auch die Ansprüche von Seniorinnen und Senioren an die eigene Wohnstätte haben sich verändert – auch bei Menschen mit Behinderung. Wir geben hier einen ersten Überblick über alternative Wohnformen – ob Wohngemeinschaft oder Mehr-Generationen-Haus.

 

Das Ziel ist Selbstbestimmung

Menschen mit Conterganschädigung sind heute um die sechzig Jahre alt, befinden sich in der Endphase ihrer beruflichen Laufbahn oder sind bereits im Ruhestand. Viele von ihnen leiden neben den üblichen Alterserscheinungen auch an Folgeerkrankungen. Der Anspruch an Pflege, stabile soziale Kontakte oder barrierearmes Wohnen haben dann für sie einen besonderen Stellenwert. Aber wie kann man dem auch in Zukunft gerecht werden – vielleicht auch außerhalb der etablierten Angebote?

Inzwischen gibt es eine Reihe von alternativen Wohnformen. Ihre Entwicklung basiert einerseits auf dem Wunsch, auch bei körperlichen Einschränkungen möglichst lange und umfassend selbstbestimmt zu leben. Zum anderen ist die ambulante Pflege im Gesundheitssektor auf dem Vormarsch, sodass Pflege und Betreuung relativ unabhängig von der Wohnsituation organisiert werden können. Dies zeigt sich auch in der starken Zunahme von Wohnkonzepten nach dem Grundprinzip des betreuten Wohnens.

Zwei solcher alternativen Wohnformen haben sich in den letzten Jahren besonders stark verbreitet: Einmal sind dies Projekte nach dem Konzept des Mehr-Generationen-Wohnens. In großen Häusern oder Wohnanlagen wohnen und leben Bewohnerinnen und Bewohner aus unterschiedlichen Lebensphasen zusammen. Zum Zweiten sind dies Haus- und Wohngemeinschaften, in denen ältere Menschen gemeinsam leben und bei Bedarf durch professionelles Pflegepersonal betreut und unterstützt werden.

 

Wohngemeinschaften und „Mehr-Generationen-Haus“ – alles inklusiv

Das Prinzip der WG ist heute nicht mehr nur Studierenden vorbehalten. In Senioren-Wohngemeinschaften leben Menschen in Einzel- oder Doppelzimmern innerhalb einer Wohnung zusammen. Gemeinschaftlich werden Küche, Essraum oder Wohnzimmer genutzt. Auch inklusive Modelle lassen sich hier realisieren, wenn entsprechende räumliche Voraussetzungen gegeben sind (z.B. barrierefreier Zugang für Rollstuhlfahrer). Mitbewohner ohne Behinderung leisten hier Hilfe im Alltag. In einem Mehr-Generationen-Haus ist dieser Aspekt meist fester Bestandteil des Konzepts. Hier liegt die Idee zugrunde, altersgemischt zusammenzuleben – so, wie es der Mensch im Grunde seit Jahrtausenden getan hat. Wobei nachbarschaftliches Zusammenleben hier im Wortsinn allgemein „Für-Sorge“ bedeutet, also auch konkrete Hilfe einschließt.

Dieses Modell ist seit einigen Jahren auf dem Vormarsch.Verschiedene Wohnungsbau-Gesellschaften und eigens gegründete Genossenschaften bieten hierfür geeignete Häuser an. Neben der eigenen Wohnung gibt es dort auch zusätzliche Räume, die gemeinschaftlich genutzt werden – zum Beispiel ein großer Raum für (Familien-) Feste oder Treffen der Hausgemeinschaft. Bei inklusiven Mehr-Generationen-Häusern oder WGs sind die Räume – ob privat oder gemeinschaftlich genutzt – barrierearm gebaut und gestaltet.

 

Wohn-Assistenz: Hilfe in den eigenen vier Wänden

Wenn die nachbarschaftliche Hilfe nicht ausreicht, kann die sogenannte Wohn-Assistenz helfen: Das können ein Pflegedienst oder eine Assistenzkraft sein. Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (§ 4 SGB IX) sind die Leistungen aufgeführt, die Menschen mit Behinderung hierbei zustehen. Sie sollen diesen das Leben in der Gemeinschaft erleichtern. Dazu gehören auch Hilfen beim Wohnen. Die Kosten zahlt normalerweise der Träger der Eingliederungshilfe. Sie gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe (Teil 2 SGB IX).

 

Ambulantes Wohnen und ambulante Wohnformen

Inzwischen leben etwa 40 Prozent der Menschen mit Behinderung in ambulanten Wohnheimen. Diese Wohnform ergänzt die oben beschriebene Art des Zusammenlebens. Dabei gibt es zahlreiche Mischformen. Sie sind von den Gegebenheiten vor Ort oder den Konzepten der Träger abhängig. Alle verbindet das Ziel, dass die Betroffenen die Dinge des Alltags möglichst eigenständig entscheiden und erledigen können. Die Hilfen setzen nur dort ein, wo ein Betroffener Unterstützung braucht: etwa beim Arztbesuch, beim Kochen, Wäschewaschen oder Einkaufen. Dasselbe gilt für die Freizeit, also bei Ausflügen in der Gruppe oder beim Besuch von Theater oder Kino.

Vor allem bei Immobilien, die von einem Wohnheim-Träger betreut werden, sind die Wohnungen oft barrierefrei bzw. -arm. Ein Nachteil: Obwohl diese Art der Wohnangebote deutlich zunimmt, kann es sein, dass man an seinem Wohnort kein entsprechendes Angebot findet. Dann ist ein Umzug angesagt.

 

Information und Beratung zum Wohnen im Alter

Zum Thema Wohnen im Alter findet man im Netz zahlreiche Informationen – und auch konkrete Angebote. Eine Beratung kann durch Seniorenbüros (von denen es in Deutschland 450 gibt) oder Wohnberatungsstellen der Städte und Kommunen erfolgen – sowohl persönlich als auch über die entsprechenden Webseiten. Eine Beratung ist auch zu Hause möglich.

In den „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen“ (EUTB-Beratungsstellen) bekommt man ebenfalls eine umfassende und von Trägern und Immobiliengesellschaften unabhängige Beratung. Das Angebot richtet sich besonders an Menschen mit Behinderung und deren Angehörige, ist also vielleicht auch für Menschen mit Conterganschädigung eine Option, sich dem Thema zu nähern.

 

LINKS

Der Familienratgeber der Aktion Mensch zum Thema Selbstbestimmtes Leben: www.familienratgeber.de/schwerbehinderung/selbstbestimmt-leben.php

Auf der Internetseite von „Wohnsinn“ gibt es u. a. eine WG-Börse und weitere Informationen für alle, die sich für inklusive Wohngemeinschaften interessieren: www.wohnsinn.org

Wer selbst ein Wohnprojekt gründen will und sich einen Überblick über verschiedene Optionen verschaffen will, wird auf www.wohnprojekte-portal.de/ fündig.

Standorte der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros: www.seniorenbueros.org/seniorenburos/standorte/ 

Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung: 
www.wohnungsanpassung-bag.de/seite/259749/wohnberatungstellen.html