Das Bild zeigt Dieter Hackler, Vorstandsvorsitzender der Conterganstiftung, und Armin von Buttlar, den Vorstandsvorsitzenden der Aktion Mensch (c)Conterganstiftung

60 Jahre „Aktion Mensch“

Die Conterganstiftung gratuliert der Aktion Mensch und trifft sich mit Verantwortlichen. Das CIP erinnert an die gemeinsamen Ursprünge, die auch im Conterganskandal liegen.

Menschen mit Conterganschädigung wissen es, viele ältere Nicht-Betroffene ebenfalls: Die Geschichte der Aktion Mensch hängt unmittelbar mit dem Conterganskandal zusammen. Dieser brachte nämlich 1964 den ZDF-Journalisten Hans Mohl auf die Idee, eine Hilfsaktion für behinderte Kinder im Fernsehen zu initiieren. Das noch taufrische ZDF und sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege riefen im selben Jahr die "Aktion Sorgenkind" ins Leben. Die „Sorgenkinder“ waren vor allem die „Contergan-Kinder“, ein Terminus, für den sich wiederum die BILD-Zeitung verantwortlich zeichnet. Die Berichterstattung über den Skandal und vor allem dessen Folgen für die betroffenen Familien ging damals maßgeblich von Mohls „Gesundheitsmagazin Praxis“ aus. Es hatte zum ersten Mal Bilder dieser Kinder ins damalige Leitmedium Fernsehen gebracht und so in der Öffentlichkeit überhaupt erst ein Bewusstsein für das Thema geschaffen.

 

Aktion Sorgenkind schreibt Fernsehgeschichte

 

Aus der Grundidee ist bald die größte und bekannteste Soziallotterie Deutschlands geworden. Älteren Semestern mögen vielleicht die ZDF-Quizsendungen „Vergißmeinnicht“ mit Peter Frankenfeld, „3 x 9“ oder später „Der Große Preis“ mit Wim Thoelke noch etwas sagen. Immerhin wurden mit diesen Formaten erstmals Spiel, Spaß und Unterhaltung mit einem ernsten sozialen Anliegen verbunden. Regelmäßig liefen so live im Fernsehen Gewinnbeträge und Spenden „zugunsten der Aktion Sorgenkind“ auf. Diese gelangt nach nur zehnjährigem Bestehen durch den „Großen Preis“ zu sehr großer Bekanntheit und Beliebtheit in den deutschen Wohnzimmern. Sicher nicht zuletzt auch wegen der Zeichentrickfiguren Wum und Wendelin aus der Feder des großen Loriot.

In den späten 1970ern steigerten sich Losverkäufe und damit die Fördersummen weit über 100 Mio. DM. Gleichzeitig wurden mehr und mehr neue Förderakzente gesetzt. Den Jüngsten dürften Ursprünge, Anfänge und aus heutiger Sicht arg verstaubte Fernsehshows der ersten Jahrzehnte kaum mehr geläufig sein. Dessen ungeachtet jedoch erfreut sich die Soziallotterie bis heute ungebrochener Bekanntheit. Sie hat Zeiten-, Medien- und Modewandel erfolgreich getrotzt.

 

Aus Sorgenkind wird Mensch

 

Die größte deutsche private Förderorganisation im sozialen Bereich heißt seit 2000 „Aktion Mensch“. „Die Umbenennung stand am Ende einer gesellschaftlichen Entwicklung“, sagt Sprecherin Christina Marx im Interview von 2021 hier im CIP. „Heute geht es um Teilhabe und Selbstbestimmung, das Ziel ist eine inklusive Gesellschaft. Die Umbenennung war nicht der Auslöser für eine andere Ausrichtung, sondern Folge einer konsequenten Entwicklung.“ Einer Entwicklung, die sich mit derjenigen der Menschen mit Conterganschädigung durchaus deckt. Menschen mit Behinderung kennen heute ihre Rechte, fordern sie ein. Die Impulse etwa, wie sie gesehen werden und wie sie leben wollen, gehen heute viel mehr von ihnen und ihren Organisationen selbst aus, als von Außenstehenden.

 

Die Conterganstiftung gratuliert und trifft sich zu Gesprächen

 

Für die Conterganstiftung sind der runde Geburtstag und ein gemeinsamer Ursprung Grund genug, der Aktion Mensch zu 60 Jahren Inklusionsarbeit zu gratulieren und sich über mögliche gemeinsame Ideen auszutauschen. Bis heute haben die Aktion Mensch und die Conterganstiftung 380 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 113.999.522 € gefördert.

„Die Aktion Mensch ist eine Pionierin der sozialen Hilfsorganisationen. Dies eint sie durchaus mit Menschen mit Conterganschädigung sowie deren Eltern, aus deren Engagement auch letztlich die Conterganstiftung hervorgegangen ist und die ganze Bundesrepublik geprägt hat“, sagt der Vorstandsvorsitzende Dieter Hackler. „Wie wir ist die Aktion Mensch einen weiten und erfolgreichen Weg gegangen. Wie unserer ist auch ihr Weg lange nicht zu Ende. Daher überlegen wir nun, wo wir vielleicht gemeinsame Wegmarken setzen können.“ Denn auf dem Weg zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft ist immer noch sehr viel zu tun.

„Unser Anspruch ist es, Konzepte zu entwickeln, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter mit körperlichen Behinderungen ermöglichen, von denen mittelfristig auch Personen über den Kreis der Menschen mit Conterganschädigung hinaus profitieren“, so Hackler weiter. Bei einem ersten Treffen mit Verantwortlichen der Aktion Mensch in Köln wurde daher über die thematischen Schnittmengen gesprochen, die grundsätzlich für die Bündelung von Synergien zwischen der Soziallotterie und der Conterganstiftung bestehen.

Die Aktion Mensch lud die Conterganstiftung anschließend zur Teilnahme an einem Barcamp in Bonn und zu einem Kongress zur inklusiven Sozialraumgestaltung vom 26. – 28. November 2024 in Erfurt ein. Neuigkeiten und Updates hierzu wird das CIP veröffentlichen.

Auf dem Foto sehen Sie Dieter Hackler, Vorstandsvorsitzender der Conterganstiftung, und Armin von Buttlar, den Vorstandsvorsitzenden der Aktion Mensch. (c) Conterganstiftung

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