Das Bild zeigt das medizinische Personal der Klinik Hoher Meißner.

Breites Leistungsspektrum für individuelle Behandlungen: Die Klinik Hoher Meißner in Bad Sooden-Allendorf

Unterschiedliche Krankheitsbilder und immer stärker auftretende Folgeschäden sind für Menschen mit einer Conterganschädigung wie medizinische und therapeutische Fachkräfte eine ständige Herausforderung. In Zusammenarbeit mit Betroffenen, deren Verbänden sowie vernetzter Unterstützung wurde in der Klinik Hoher Meißner wichtiges Wissen gesammelt und spezielle medizinische, beratende und therapeutische Angebote entwickelt. Im zweiten von insgesamt vier Portraits informiert das CIP über das Behandlungsangebot in der nordhessischen Rehabilitationsklinik.

Seit 2013 bietet die Klinik Hoher Meißner in Bad Sooden-Allendorf ein spezielles Behandlungsangebot für contergangeschädigte Menschen an. Unter der Leitung von Chefarzt Dr. med. Volker Stück ist hier eines der großen medizinischen Zentren für die Behandlung und Therapie von Menschen mit Conterganschädigung entstanden.

„Contergangeschädigte leiden durch jahrelange Fehlbelastung von Wirbelsäule und Gelenken an Folgeschäden, die zu chronischen Schmerzzuständen im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates führen“, weiß Dr. Volker Stück. „Diese Schmerzen haben sowohl körperliche als auch psychosoziale Einschränkungen zur Folge. Wobei keine Conterganschädigung der anderen gleicht; jede braucht eine individuelle Therapie.“ Diese Grundeinsicht bildet die entscheidende Handlungsgrundlage der Klinik in Bad Sooden-Allendorf.

„Die conterganbedingten Schäden und Folgekrankheiten des Haltungs- und Bewegungsapparates bedürfen kontinuierlicher krankengymnastischer sowie balneophysikalischer Behandlung und regelmäßiger Rehabilitation“, sagt Dr. Stück. Die komplexen Schädigungsmuster fordern eine große Bandbreite bei der Behandlung. „Die Inhomogenität der Thalidomid-Schäden erfordert ein individuelles Eingehen auf jeden einzelnen Betroffenen und keine standardisierte Rehabilitation nach ‚Schema F‘“.

 

Von Ergo- bis Schmerztherapie: Rehabilitation im Fokus

In der Abteilung Orthopädie/Unfallchirurgie der Klinik Hoher Meißner werden seit mehreren Jahrzehnten Contergangeschädigte behandelt. 2013 wurde durch die damalige Chefärztin Frau Dr. Petra Brückner eine spezielle Abteilung für die Rehabilitation Contergangeschädigter eröffnet. Seit 2018 wird diese Abteilung von Dr. Stück geleitet. Zur erfolgreichen Rehabilitation dieser Menschen steht heute ein speziell ausgebildetes Team von Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften bereit. Jährlich werden in der Klinik um die 80 Menschen mit Conterganschädigung rehabilitiert.

Therapiemodule der Krankengymnastik, Ergotherapie, balneophysikalischen Behandlung sowie der Schmerztherapie greifen ineinander, um die festgelegten Behandlungsziele zu erreichen. Diese liegen vor allem in einer nachhaltigen Schmerzlinderung, der Verbesserung der Mobilität, dem Ermöglichen von Teilhabe am sozialen Leben bzw. Befähigung zur selbständigen Alltagsgestaltung. Auch die Vermeidung eines über das übliche Maß hinausgehenden Betreuungs- und Pflegeaufwands gehört zu den Zielen der Klinik. Ebenso fließen biopsychosoziale Aspekte in dieses ganzheitliche Rehabilitationskonzept für Conterganbetroffene ein.

Dr. Volker Stück: „In der ergotherapeutischen Abteilung werden manuelle Techniken genutzt, um Funktion und koordinative Fähigkeiten der betroffenen Gliedmaßen zu verbessern. Computerarbeitsplatzberatung, Rollstuhlerprobung, Vermittlung von gelenkschonenden Arbeitstechniken, Hilfsmittelberatung und vieles anderes mehr gehören zum Bereich Ergotherapie.“

Aufgrund der individuellen und unterschiedlichen Schädigungsmuster erfolgen krankengymnastische und ergotherapeutische Maßnahmen vor allem als Einzeltherapie, ggf. ergänzt durch geeignete gruppentherapeutische Angebote. Dr. Stück: „Es kommen Techniken der manuellen Medizin, Krankengymnastik nach Maitland, Kraniosakraltherapie sowie Vojta und Bobath zum Einsatz. Bei Zweifachgeschädigten mit hochgradigen Funktionseinschränkungen sowie bei Vierfachgeschädigten besteht teilweise großer Unterstützungsbedarf.“ Für die Versorgung von chronischen Wunden oder Wundheilungsstörungen steht zudem ein modernes Wundmanagement zur Verfügung.

 

Spezialisten arbeiten Hand in Hand

Sofern bei Rehabilitanden mit Conterganschädigung eine Kombination verschiedener Schädigungsmuster vorliegt – etwa im Bewegungsapparat, den bei inneren oder Sinnesorganen – können fachübergreifend internistische und neurologische Mitbetreuung (hausintern) sowie Hals-Nasen-Ohren-ärztliche oder augenärztliche Untersuchungen (außer Haus) durchgeführt werden. Für gehörlose Contergangeschädigte organisiert das Klinik-Team – falls notwendig – die temporäre Anwesenheit von Gebärdendolmetschern. Eine weitere Besonderheit: Die Klinik bietet Krankengymnastik im Bewegungsbad an - entweder in einer Kleingruppe oder in Einzelbehandlung. Für immobile Patientinnen und Patienten steht zusätzlich ein Lifter zur Verfügung

Im Sinne des multimodalen Behandlungskonzeptes werden bei persönlichen Konfliktsituationen oder auch bei Schmerzpatienten Psychotherapeuten hinzugezogen. Psychologische Mitbetreuung in Kleingruppen- oder in Einzeltherapie hilft bei Schmerz- und Stressbewältigung und beugt weiterer Schmerzchronifizierung vor. Besonders belastenden Lebenssituationen soll dadurch ihre Bedrohlichkeit genommen und Lösungswege angeboten werden.

 

Optimale Ausstattung – bis in die Patientenzimmer

Die Gebäude in der Klinik sind barrierefrei und behindertengerecht ausgestattet – etwa mit Rampen für E-Rollstühle oder mit Lifter-Systemen in den Bewegungsbädern. Der klinikeigene, auch für Elektro-Rollstühle geeignete Haus-Bus steht für Transferfahrten zur Verfügung. In der Küche werden alle notwendigen Diäten und Arten von Sonderkost zubereitet.

Für Contergangeschädigte - insbesondere mit Arm- oder Beindysmelie, stehen 13 speziell ausgestattete Zimmer bereit. Wenn gewünscht, können Begleitpersonen oder die persönliche Assistenz in einem Doppelzimmer mit aufgenommen werden.

Die Zimmer sind umfassend behindertengerecht ausgestattet: höhenverstellbares Dusch-WC, Ganzkörper-Fön, höhenverstellbare Pflegebetten und Tische, elektrisch herausfahrbare Kleiderstangen, Wäschefächer mit Tippsystem – dies sind nur einige Beispiele.  „Wir sind sehr dankbar, dass wir beim Bau und der Ausstattung der Conterganabteilung auf beratende Hilfestellung und Empfehlungen von Conterganbetroffenen verschiedener Selbsthilfegruppen zurückgreifen konnten“, weiß Dr. Stück zu berichten.

Kostenträger für die stationären Rehabilitationen sind gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Unfallversicherungsträger, die gesetzliche Rentenversicherung und private Krankenversicherungen. Zusätzlich können Contergangeschädigte in der Klinik Rehabilitationsmaßnahmen auch als Selbstzahler durchführen. Nach vorheriger Rücksprache stellt die Einrichtung Kostenvoranschläge zur Vorlage bei der Krankenversicherung oder der Conterganstiftung aus, um das Antragsverfahren zu erleichtern.

Falls eine orthopädietechnische Versorgung notwendig wird, erfolgt diese in Zusammenarbeit mit dem für die Klinik zuständigen Sanitätshaus. In der Klinik Hoher Meißner selbst ist zudem ein Orthopädie-Mechanikermeister in eigener Werkstatt tätig. So können gängige orthopädietechnische Versorgungsleistungen vor Ort durchgeführt werden, seien es Einlagen, Bandagen, Führungsschienen, Schuhumrüstungen. Der Orthopädiemechaniker bietet ebenfalls Informationen zu Mobilitätshilfen an. „Unsere orthopädische Abteilung ist eng mit der Neurologischen Abteilung des Hauses vernetzt, so dass alle Patienten bei Bedarf konsiliarisch vorgestellt werden können“, so Dr. Stück.

Kooperationspartner im Bereich Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie sind darüber hinaus die Orthopädische Klinik in Hessisch Lichtenau, die Vitos Orthopädische Klinik in Kassel, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin in Göttingen, das Evangelische Krankenhaus in Göttingen-Weende sowie das Wirbelsäulenzentrum in Bad Wildungen.

„Wir stehen den Betroffenen sowohl bei Fragen des Reha-Antragsverfahrens als auch später bei Fragen nach ihrem Rehabilitationsaufenthalt in unserer Klinik telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung“, versichert Dr. Stück.

 

Kontaktdaten:

Klinik Hoher Meißner Bad Sooden-Allendorf
Dr. med. Volker Stück
Chefarzt Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie
Tel.: 05652 55 821
E-Mail: orthopaedie@reha-klinik.de
Webseite: Klinik Hoher Meißner

 

Foto: Klinik Hoher Meißner W. u. M. Wicker GmbH & Co. KG