Das Bild zeigt ein Hörgerät

Das zweite Ohr

Viele Menschen mit Conterganschädigung leiden schon seit ihrer Geburt an einer Schädigung ihres Gehörs. Bei einigen kommt es erst altersbedingt zu Problemen. Wann hilft ein Hörgerät? Wie findet man das passende Gerät? Welche Kosten werden erstattet? Wir geben einen ersten Überblick.  

 

Jeder 15. gilt in Deutschland inzwischen als hörgeschädigt. Ein wachsender Markt für die Hörgeräte-Akustiker und Akustikerinnen. In der Welt des Hörens und vor allem der Hörhilfen hat sich seit den ersten Hör-Rohren eine Menge getan. Noch vor wenigen Jahren klagten ihre Trägerinnen und Träger über die Größe, die Sichtbarkeit der Apparatur, die häufigen Fehlfunktionen oder auch die Häufigkeit des Batterieladens. Inzwischen gibt es eine große Auswahl für jeden Bedarf, jede Art von Hörschädigung und für so ziemlich jeden Geldbeutel.

 

Explosion der Angebotsvielfalt

Der medizinisch-technische Fortschritt macht auch bei Hörgeräten nicht Halt. Auf dem Hörgeräte-Markt sind zwei Entwicklungen zu erkennen: Die wachsende technologische Vielfalt und eine zunehmende Anwenderfreundlichkeit auf allen Ebenen. Nicht zuletzt ist ein Hörgerät längst nicht mehr nur für ältere Menschen da. Jüngere greifen ebenfalls ohne Scham zu den Angeboten, um besser zu hören.  

Hörverstärker gibt es schon für unter 50 Euro. Eine Lösung für eine ernsthafte Hörschädigung speziell für Menschen mit Conterganschädigung ist ein solches Angebot aber nur in Ausnahmefällen.

Dagegen werden High-Tech-Varianten über eine App des Smart-Phones gesteuert. Sie ermöglichen den Nutzern zum Beispiel Telefongespräche über das Hörgerät – ohne dass das Handy an das Ohr oder dessen Mikrophon in die Näher des Mundes geführt werden muss. Eine Variante, die für Menschen mit verkürzten Gliedmaßen aufgrund einer Conterganschädigung hilfreich sein kann.

 

Probieren, bis es passt!

Bei der Vielfalt an Angeboten ist es wichtig, so betonen alle Experten, dass man den richtigen Zeitpunkt findet, um sich mit dem eigenen schlechten Hören auseinanderzusetzen. Dann muss man eine individuelle Lösung finden und vor allem Geduld haben. Denn selten passt das erste Hörgeräte-Modell und fast nie stimmen die Einstellungen sofort. Daher muss man jedes Hörgerät probieren, bis es passt. Nicht selten vergehen vom ersten Hörtest beim Ohrenarzt über das Einlesen beim Akustiker, dem Ermitteln des genauen Bedarfes bis zum zufriedenstellenden Produkt einige Monate.

 

Hinterm Ohr, am Ohr oder doch besser im Ohr? 

Ob ein Hörgerät am bzw. hinterm Ohr sitzt, welche Lautsprecher oder kleinen Schläuche in den Gehörgang führen oder ob gleich die ganze Applikation quasi von außen unsichtbar in der Hörschnecke (Cochlea) sitzt, ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Es hat was mit der Art der Hörschädigung, der Beschaffenheit und Formung des Gehörgangs und nicht zuletzt mit den Vorlieben der Betroffenen sowie dem eigenen Geldbeutel zu tun.

Grundsätzlich gibt es zwei große Gruppen von Hörgeräten: Hinter-dem-Ohr-Geräte und In-dem-Ohr-Geräte (HdO/IdO). Bei den ersteren, die zu den bekannteren und sichtbareren Hörgeräten gehören dürften, kann man wiederum zwei grundsätzliche Kategorien unterscheiden:

Ein HdO mit RIC (Receiver in Canal) ist die kleinste und unauffälligste Modellform dieser Kategorie. Bei ihr ist der Lautsprecher in den Gehörgang ausgelagert und wird umschlossen von einer individuell angepassten Otoplastik, dem Ohrstück des Hörgerätes. Gehäuse und Lautsprecher sind mit einem kleinen Kabel verbunden, welches das Hörgerät fest am Ohr hält.

Beim HdO mit Hörwinkel und Schallschlauch sind Gehäuse und Otoplastik mit einem weichen transparenten 2-mm PVC-Schlauch verbunden. Dieser leitet den verstärkten Schall in den Gehörgang. Diese Variante eignet sich besonders bei hohem Verstärkungsbedarf oder auch bei motorischen Einschränkungen, wie sie oft auch Menschen mit Conterganschädigung haben.

IdO-Geräte sitzen hingegen direkt im Gehörgang. Jedes von ihnen ist eine Maßanfertigung und wird nach einer Abformung des Ohres hergestellt. Die kleinsten unter ihnen verschwinden unsichtbar im Gehörgang. IdO-Hörgeräte sind in vier unterschiedlichen Ausführungen erhältlich. Von im Gehörgang sitzend und nahezu unsichtbar, im Gehörgang mit manuellen Bedienelementen außen und schließlich im Ohr, wo das Gerät einen Teil der Ohrmuschel ausfüllt. Die individuellen Anforderungen werden immer von einem Facharzt und der Hörgeräte-Fachkraft ermittelt.

Eine weitere Möglichkeit bietet das Cochlea-Implantat (CI). Es umgeht die Sinneszellen, indem es die Funktionen der Sinneszellen ersetzt. Das Implantat enthält eine Empfangsspule, einen Stimulator und Stimulationselektroden sowie einen digitalen Sprachprozessor. Der innere Teil des CI wird in die Hörschnecke (Lateinisch Cochlea) im Innenohr eingesetzt. Da Cochlea-Implantat gilt als Prothese und kann von der Krankenkasse anders abgerechnet werden als ein Hörgerät. 

 

Was wird wann gefördert oder erstattet?

Wichtig ist die Frage der Kosten, der Förderung bzw. der Erstattung durch Krankenkassen bzw. privaten Versicherungen.

Je nach Hörschwäche und individuellem Bedarf sind viele Hörgeräte oftmals drei- oder viermal teurer als der Regelbetrag der Krankenkassen vorsieht und der bis zu 785 Euro beträgt. Etwaige Mehrkosten für ein höherwertigeres Gerät müssen Versicherte oft selbst übernehmen. Grundsätzlich sind die Versicherer bzw. die gesetzlichen Kassen dazu verpflichtet, Versicherten ein Hörgerät zur Verfügung zu stellen, wenn es medizinisch erforderlich ist. Die medizinische Notwendigkeit stellt der behandelnde Facharzt in einer eingehenden Untersuchung fest.

Mit der medizinischen Bescheinigung geht man dann zu seiner Krankenkasse. Diese hat oft bestimmte Hersteller als Vertragspartner. In der Regel wissen die Hörgeräte-Akustiker, welche Art Hörhilfen als Kassengerät geführt werden. Sie müssen immer Modelle anbieten, die der Höhe des Festbetrags entsprechen.

Sofern sie nicht komplett von der Zuzahlung befreit sind, müssen Versicherte einen Eigenanteil von zehn Euro pro Gerät leisten. Mehrkosten aufgrund eines höherwertigen Gerätes, das nicht medizinisch notwendig ist, müssen selbst getragen werden. Allerdings sollte man sich nicht zur Wahl eines Geräts mit hohem Eigenanteil drängen lassen. Ist ein teures Hörgerät durch besondere Eigenschaften – etwa mit einem höheren Frequenzbereich – medizinisch erforderlich, zahlt die gesetzliche Krankenversicherung auch qualitativ hochwertigere Modelle.

Entscheiden sich Betroffene aus medizinischen Gründen für ein Gerät, das nicht aufzahlungsfrei ist, sollten sie immer einen Antrag auf Übernahme der Mehrkosten bei ihrer Krankenkasse stellen.

Für Beamte sind Hörgeräte grundsätzlich beihilfefähige Hilfsmittel. Höchstbeträge können dabei nur ausnahmsweise – etwa bei beidseitiger an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit – überschritten werden. Das Saarland gewährt mit 2.500 Euro je Ohr den höchsten Höchstbetrag, Berlin und Thüringen mit 1.025 Euro je Ohr den niedrigsten.

Zusammenfassend raten die Experten: Warten Sie nicht zu lange, wenn Sie Probleme mit dem Hören haben. Je früher sie aktiv werden, umso größer ist der nachhaltige Nutzen. Lassen Sie von einem Facharzt Ihren individuellen Bedarf ermitteln. Testen Sie unterschiedliche Hörgeräte bis Sie ein für Sie passendes gefunden haben. Informieren Sie sich über technische Optionen, die für Ihren Bedarf als Mensch mit Conterganschädigung passend sind. Sprechen Sie mit Ihrer Kasse oder Versicherung und stellen Sie Kostentransparenz her, damit Sie genau wissen, wie hoch gegebenenfalls Ihre Zuzahlung ausfällt.

In einem weiteren Beitrag werden wir das Thema vertiefen und u.a. auf Möglichkeiten zur Unterstützung durch die Conterganstiftung eingehen.