Das Bild zeigt den Motivationscoach Matthias Berg auf einer Bühne in einem voll besetzten Saal

„Erst, als ich meine Conterganbehinderung bewusst akzeptiert hatte, ging es bei mir richtig aufwärts.“

Matthias Berg ist als Jurist, Sportler, Musiker, Referent und Coach erfolgreich. Ob er als Hornist die Konzertsäle der Welt bespielte, bei den Paralympics Medaillen gewann oder heute vor Führungskräften spricht und Menschen motiviert - immer treibt es ihn, das Beste herauszuholen. Natürlich habe ihn das Leben mit der Conterganschädigung geprägt, erzählt er CIP im Interview. „Es kommt aber nicht darauf an, wo das Schicksal dich hinsetzt, sondern was du draus machst!“.

 

Herr Berg, hatten Sie Ihr Lebensmotto schon von klein auf?

Es hat sich entwickelt, war aber auch irgendwie immer intuitiv vorhanden. Dabei waren sicherlich auch die Gene und das positive Vorleben der Eltern und Geschwister ausschlaggebend. Die Haltung, das Leben anzunehmen und das Beste draus zu machen, gibt es ja in vielerlei Ausprägungen und beginnt schon in der antiken Philosophie.

 

Also aus Zitronen Limonade machen...

Ja genau. Es geht auch nicht darum, jeden Fehlschlag schön zu reden, aber man muss sich mit ihm auseinandersetzen und dann von dort aus weitermachen. Nicht hadern, nicht das „Pechvogel-Syndrom“ kultivieren, sondern aktiv mit den Umständen umgehen. Ich habe das immer ganz gut hinbekommen, auch nach Tiefschlägen und Misserfolgen weiter an mir zu arbeiten.

 

Was mit einer Conterganschädigung keine leichte Aufgabe ist…

Das kommt dazu. Auch mir hat man als Kind „Krüppel“ hinterhergerufen oder „Kurzärmle, Kupferdächle“, wegen meiner rötlichen Haare. Oder jemand sagte: „Dich hätte man damals vergast!“. Das ist immer wieder mal  passiert. Noch im Studium hat mir jemand hinterhergerufen: „Zum KZ geht’s linksrum!“ Dieses Ausgeliefertsein, dieses Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, ausgegrenzt zu sein, das alles hat in solchen Situationen sehr an mir genagt. Es hat Jahre gedauert, bis ich Anfang bis Mitte 20 war, damit gut umzugehen.

 

Wie haben Sie es letztlich geschafft?

Ein Freund hat mir mal gesagt: „Was kratzt es eine deutsche Eiche, wenn eine Wildsau sich an ihr reibt?!“ Und das stimmt ja auch. Du musst nur für dich klären, will ich Eiche oder Wildsau sein. Ein Bild der Stärke, des Drüberstehens, der inneren Gelassenheit. Lass es an Dir abtropfen, obwohl das schwer ist! Wenn andere mit Deiner Behinderung nicht klarkommen, ist das deren Sache. Erst, als ich selbst mit meiner Behinderung klargekommen bin und sie akzeptiert hatte, ging es aufwärts. Mit dem Sport, mit dem Beruf und im Leben insgesamt. Vielleicht habe ich auch viel Glück gehabt, denn ich bin von Haus aus ein positiv denkender Mensch. Das ist eine Grundhaltung.

 

Spielt das Thema Haltung bei der Motivation eine Rolle?

Ja. Ich verwende in meinen Trainings gerne das Zitat von Henry Ford: „Ob du glaubst, Du kannst es oder ob du glaubst Du kannst es nicht: Du wirst auf jeden Fall Recht behalten!“ Will heißen: Ich kann den Erfolg durch meine Haltung entscheidend steuern. Die innere Einstellung, die Haltung strahlt nach außen. Es geht um das Mindset, die Überzeugung zu entwickeln: Ich kriege das hin!

 

Und so kommt man auch mit Brüchen und Lebenskrisen klar?

Ich musste vor fünf Jahren meinen Beruf im Landratsamt Esslingen aufgeben. Ich war dort elfeinhalb Jahre als Stellvertreter des Landrats und Dezernent tätig und hatte große Personalverantwortung. Ich habe das sehr gerne gemacht. Aber wegen massiver Netzhautablösungen und durch viele Operationen musste ich das schweren Herzens aufgeben.

 

Und Ihr „Mindset“ hat Ihnen geholfen?

Ich habe dann die Arbeit als Speaker, Coach und die meiner Führungs-Seminare ausgebaut. Kein wirkliches Neuland für mich, weil ich das seit über 25 Jahren schon nebenberuflich mache, aber seitdem habe ich es intensiviert und professionalisiert. Mit meinem unfreiwilligen Ausstieg aus dem Beruf und der Frühpensionierung hatte ich zwar eine finanzielle Stütze, aber es fehlte fast die Hälfte des vorherigen Gehalts. Ich hatte und habe eine sechsköpfige Familie zu ernähren und ein Häuschen abzuzahlen, also muss ich auch weiter meine Brötchen verdienen. Daher habe ich diverse zertifizierte Ausbildungen absolviert, um als Coach, Speaker und Trainer der Beste zu werden, der ich sein kann. Das hat sich dann auch sehr erfreulich entwickelt. Auch hier war das Mindset wichtig. Mir etwas suchen, das mir Freude macht, das mich erfüllt, dann anpacken, durchhalten und das Talent immer weiterentwickeln. Und damit andere Menschen stark machen. Das ist es, was mich antreibt.

 

Sie bringen also auch eigene Lebenserfahrungen in die Coachings ein?

Das ist ein wichtiger Teil des Ganzen. Sie wirken ja glaubwürdiger bei dem, was Sie erzählen, wenn Sie es selbst durchlebt haben. Eine gewisse Lebensreife hilft dabei. Beim Coaching etwa, herauszufinden, wie man anderen Menschen helfen kann, das ist total gut! 

 

Zurück zum Thema Haltung. Ist die jedem Menschen gegeben oder muss man auch das erlernen?

Zunächst hat jeder Mensch eine Haltung. Ob sie ihm schadet oder ihn voranbringt, steht auf einem anderen Blatt. Den Blick auf die eigene Haltung zu öffnen, sie bewusst zu betrachten und dann zu bewerten, ob sie seinem Ziel dient oder ihm im Weg steht, das ist der Sinn von Coaching. Gezielte Reflexion. Einerseits sind Menschen sehr verschieden, jeder tickt anders. Andererseits laufen viele genetisch angelegte Programme bei uns allen ähnlich ab. Zum Beispiel die Balance aus Essen, Schlafen und Bewegen. Oder dass wir soziale Wesen mit integriertem Team-Paradoxon sind: jeder will Mitglied einer Gruppe sein, aber innerhalb der Gruppe etwas Besonderes. Der Mix aus Genen, Erziehung und Erfahrungen macht uns dann aus. Und dann geht es darum, was jeder Mensch für eine Vision von seinem Leben hat, was ihm wichtig ist und wie er dahin kommen will. Und schon bist du als Coach mittendrin im prallen Leben. Als Coach bist du der Fragensteller und aus den gefundenen Antworten entwickelt der Coach dann seine ihm passende Haltung und seinen Fahrplan.  

 

Wo liegt da der Unterschied zur Psychotherapie?

Der wesentliche Unterschied ist, dass der Psychotherapeut mehr nach den Ursachen forscht, nach etwas, das in der Vergangenheit, etwa der Kindheit, passiert ist. Wo liegen Traumata, wo tiefsitzende Enttäuschungen, Blockaden etc. Ich als Coach schaue nach vorne bzw. auf den Ist-Zustand: Wie ist es jetzt und wo soll es von hier aus hingehen? Das Vergangene ist nicht unwichtig, aber nicht so entscheidend. Ich will auch keine „Ausreden-Monstranz“ kultivieren, die man vor sich herträgt, indem man sagt: Deshalb bin ich eben so.

 

Das würden Sie auch für sich ablehnen? 

Ganz genau. Die Menschen sehen meine kurzen Arme. Sie wissen, dass ich manche Dinge anders machen muss und vielleicht Diskriminierung erlebe. Aber das muss ich nicht thematisieren. Wir brauchen uns nicht gegenseitig im Leid zu suhlen. Das macht den Zugang zueinander auch einfacher.

 

Sie schließen von sich auf andere – sind Sie nicht doch eine Ausnahme?

Talent ist eine gute Starthilfe. Der Rest ist Arbeit, Beharrlichkeit und Fleiß. Auch das familiäre Umfeld spielt eine Rolle. Da hatte ich großes Glück, denn ich wurde dazu erzogen, mit meiner Conterganbehinderung die Dinge selbst anzugehen und mich dann durchzubeißen. Das Motto war: einfach ausprobieren, worauf man Lust hatte. Mit dem nötigen Gottvertrauen. Ob beim Radfahren oder auf Skiern. Ich wurde nicht in Watte gepackt. Die Disziplin, etwas zu erreichen, habe ich aber erst als Erwachsener im Studium erlangt. Dennoch bin ich überzeugt, dass jeder Mensch Talente hat. Was man noch braucht ist eine klare Vision und die Überzeugung: Das kriege ich hin!

 

Sie sagten eben Gottvertrauen. Spielt das Christsein für Sie eine Rolle?

Ja, ich bin Christ, evangelisch, und der Glaube ist meine feste Basis. Bei aller Haltung und Einstellung brauche ich am Ende etwas, worauf ich sicher stehe, was nicht wegbricht und nicht einstürzt, egal was passiert. Aber ganz unabhängig davon, ob jemand religiös ist oder nicht. Jede und jeder sollte auf irgendetwas oder jemanden vertrauen können, dass ihr oder ihm eine feste Basis gibt.

 

Hat Gott Sie mit Talenten ausgestattet?

Jeden von uns. Und ich habe die Verpflichtung, so meine Überzeugung, sie zu entdecken und zu nutzen und das Beste aus ihnen zu machen. Für mich ist die Frage entscheidend: Hast Du mit diesen Geschenken Menschen erreicht, ihr Leben besser, die Welt reicher gemacht? Ob man nun Talente, Geschenke, Voraussetzungen dazu sagt - was wir draus machen, ist das Entscheidende.

 

LINK:

Mehr zu Matthias Berg auf seiner Website www.matthias-berg.de

Sein Buch „Mach was draus! Mehr Kraft. Mehr Gelassenheit. Mehr Leben“ ist 2015 bei Goldmann erschienen (9,99€ als Taschenbuch). Das gebundene Buch des Gütersloher Verlags gibt es direkt bei ihm, natürlich mit Widmung (20,00€ inkl. Versand, gebundene Ausgabe). Email: mc.berg@t-online.de


Foto: privat