Sommerinterview mit Dieter Hackler, Stiftungsvorstand

„Gemeinsam haben wir viel erreicht.“

Was sind die Themen der Zukunft? Wie wird sich die Conterganstiftung und deren Arbeit verändern? Warum ist ein „Fest der Begegnung“ wichtig? Darüber und über andere aktuelle Themen sprachen wir mit Dieter Hackler, dem Vorstandsvorsitzenden der Conterganstiftung, im Sommerinterview.

 

Die Betroffenen sind mittlerweile um die 60 Jahre alt. Deshalb ist angedacht, das Thema Alter zu einem neuen Arbeitsfeld für die Conterganstiftung zu machen. Was ist konkret geplant?

Im Rahmen unseres Symposiums im letzten Jahr anlässlich der Marktrücknahme von Contergan vor 60 Jahren durch die Firma Grünenthal kristallisierten sich drei Themenblöcke heraus, die zukünftig für das Leben von Menschen mit Conterganschädigung sehr wesentlich werden:

  1. Wie sieht die medizinische Versorgung in Zukunft aus?
  2. Wie können wir bei zunehmendem Alter selbstständig wohnen und leben?
  3. Wie kann eine psycho-soziale Begleitung im Alter gestaltet werden?

Diese drei Fragen wollen wir von einer Kommission aus Expertinnen und Experten prüfen und beantworten lassen, um Weichen für die Zukunft stellen zu können.

 

Aus welchen Bereichen werden die Experten kommen, welche Kompetenzen sollen sie einbringen?

Nachdem wir die grundsätzliche Zustimmung durch unsere Bundesministerin Paus zu unserem Vorschlag bekommen haben, erarbeitet der Vorstand nun einen Vorschlag zur Zusammensetzung der Kommission.  Zudem wird es einen Arbeitsauftrag für die Kommission geben, der dem Stiftungsrat im November zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Wir denken an Mediziner, Psychologen, Vertretungen aus Krankenkassen und selbstverständlich an Menschen mit Conterganschädigung, die die besten Experten in eigener Sache sind.

 

Und welchen Aufgaben wird die Kommission generell nachgehen?

Wir erwarten von der Kommission Vorschläge zu den drei Themenkomplexen, die das Leben der Menschen mit Conterganschädigung auch im hohen Alter angemessen unterstützen sollen, um Lebensqualität und Autonomie zu sichern.

 

Was sind die konkreten Vorteile für die Betroffenen?

Wenn wir die Themen heute aufgreifen, bekommen wir Lösungen für die Zukunft und müssen den Bedarfen nicht hinterher arbeiten.

 

Die Stiftung feiert dieses Jahr ihr 50. Jubiläum. Dafür haben Sie ein Fest der Begegnung organisiert, das im September stattfinden wird. Warum ein solches Fest? Was sind Ihre Erwartungen?

Der Vorstand und seine Geschäftsstelle waren im vergangenen Jahr Gäste des wunderbaren Lebensfestes, das der Landesverband Contergangeschädigter NRW mit seinem Vorsitzenden Udo Herterich in Köln organisiert hatte. Wir wollten schon zuvor ein Sommerfest in den Räumen der Stiftung veranstalten, was dann durch Corona leider nicht möglich war. Für dieses Jahr bot sich dann das Stiftungsjubiläum als Anlass an, um ein Fest der Begegnung zu feiern. Hierbei laden wir zum Gedankenaustausch, zur Begegnung und zum Feiern ein. Zugleich schaffen wir mit dem Zusammentreffen Transparenz und Vertrauen. Die große Resonanz auf unser Symposium im vergangenen Jahr, trotz Corona, hat uns ermutigt, den Weg der Öffnung der Conterganstiftung fortzusetzen und Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen. Dieser Weg ist für mich alternativlos. Auf dieser Basis haben wir die bedeutend positiven Veränderungen für die Contergangeschädigten seit 2007, als ich zum ersten Mal den Bundesverband unter Leitung von Margit Hudelmaier getroffen und den Forderungskatalog erhalten habe, erreicht und umgesetzt.

 

Was ist für diesen Tag an Programm geplant?

Es wird ein paar Grußworte geben, die Bläck Fööss kommen, für das leibliche Wohl wird gesorgt. Moderiert wird das ganze freundlicherweise von Matthias Berg. Und auch die Besichtigung der Geschäftsstelle wird in Gruppen möglich sein.

 

Der Rücklauf der Anmeldungen ist groß. Größer als erwartet. Wie bewerten Sie diesen hohen Zuspruch?

Wir sind über den großen Zuspruch begeistert. Wir haben mehrfach auch wegen Coronaauflagen umplanen müssen. Aber das haben wir gern getan. Wir sehen die hohe Teilnehmerzahl als Interesse an der Conterganstiftung und auch als Zeichen des gewachsenen Vertrauens in die Conterganstiftung.

 

Anderes Thema: Die Stiftung hat die dokumentarische Arbeit „Historische Aufarbeitung“ von Prof. Kruse finanziell unterstützt. Um welche Themen geht es in dieser Ausarbeitung?

Es ist für eine Stiftung, die mit Veränderungen seit 50 Jahren besteht, wichtig, die eigene Geschichte festzuhalten und vielleicht auch zu bewerten. Darum finanziert die Conterganstiftung dieses Projekt, das der Stiftungsrat und das BMFSFJ auf den Weg gebracht haben.

 

Planen Sie eine Veröffentlichung der „Historischen Aufarbeitung“?

Noch liegt die Expertise der Conterganstiftung zur Abnahme nicht vor. Beirat und Stiftungsrat müssen sich noch damit auseinandersetzen. In jedem Fall plant der Vorstand für das nächste Jahr ein Symposium zur Expertise von Prof. Kruse.

 

Wenn Sie zurückschauen auf die letzten 50 Jahre, wie würden Sie die Entwicklung der Stiftung beschreiben? Und welche Aufgaben sehen Sie für die Zukunft?

Die Reform der Conterganstiftung mit der alleinigen Ausrichtung auf die Menschen mit Conterganschädigung war besonders wichtig. Aber auch die neue Zusammensetzung des Stiftungsrates mit gewählten Betroffenenvertretungen, die Neufestsetzung der Renten und die Einführung der spezifischen Bedarfe, der Aufbau von Beratungsstrukturen und der Kompetenzzentren sowie die Firma Grünenthal noch einmal um eine Zustiftung zu bitten, waren wichtige und vor allem erforderliche Veränderungen in den letzten 50 Jahren. Die Conterganstiftung und Politik haben zusammen mit den Betroffenen gemeinsam viel erreicht. Auch dank des Films: „Eine einzige Tablette“. Mein Dank gilt rückblickend den beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Ilse Falk und Christel Humme, die mich engagiert und vorbehaltlos unterstützt und ermutigt haben. Sie haben auch die Wege zu Peter Struck und Volker Kauder geöffnet, damit die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Veränderungen geschaffen werden konnten. Bei allem hatte ich auch das Vertrauen und die Rückendeckung der Bundesministerinnen von der Leyen und Schröder.

 

Was plant die Stiftung zukünftig? Gibt es neue Projekte?

Unsere Expertenkommission ist das zentrale Projekt für die Zukunft. Darüber hinaus werden wir die aufgebauten Kontakte zu den Verbänden und auch zu den Betroffenen perpetuieren. Und natürlich werden wir unsere Anliegen den Abgeordneten und dem BMFSF nahebringen.

 

Und zu guter Letzt, was wünschen Sie sich für die Stiftung?

Zunächst bin ich dankbar für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Vorstand der Conterganstiftung. Das ist für mich ein großartiges Erleben und nicht selbstverständlich. Darüber hinaus bin ich dankbar, dass wir in der Geschäftsstelle hervorragende und empathische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Und natürlich freut uns die Rückendeckung aus den Verbänden, aus dem Stiftungsrat und dem BMFSFJ. Ich hoffe, dass das so bleibt, weil wir dann alle Herausforderungen, die auf uns zukommen, gemeinsam meistern werden.

 

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