Dieses Bild zeigt Prof. Dr. Herbert Taubner, stellvertretendes Mitglied im Stiftungsrat der Conterganstiftung

„Ich möchte anderen mit meiner Geschichte Mut machen“

Prof. Dr. Herbert Taubner wurde im Oktober 2024 für die 14. Amtszeit als stellvertretendes Mitglied in den Stiftungsrat der Conterganstiftung gewählt. Im Verlauf seines Berufslebens war der von einer Conterganschädigung betroffene Jurist als Richter, Hochschullehrer und Vertrauensperson im Schwerbehindertenbereich der Baden-Württembergischen Justiz tätig. CIP sprach mit Prof. Taubner über sein Ehrenamt im Stiftungsrat, über Inklusion, Vorbilder und persönliche Ziele.

 

Herr Prof. Taubner, Sie wurden im Herbst vergangenen Jahres als stellvertretendes Mitglied in den Stiftungsrat der Conterganstiftung gewählt. Welche Eindrücke konnten Sie in den ersten Monaten von der Stiftungsarbeit gewinnen?

Nach § 6 Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) hat der Stiftungsrat die Aufgaben, alle grundsätzlichen Fragen zu beschließen, die zum Aufgabenbereich der Stiftung gehören. Außerdem überwacht er die Tätigkeit des Stiftungsvorstandes und stellt insbesondere die Richtlinien für die Verwendung von Mitteln auf. Danach hat der Stiftungsrat eine sehr verantwortungsvolle Funktion neben dem Stiftungsvorstand und ist ein gewichtiges Organ der Conterganstiftung. Als Mitglied im Stiftungsrat hat man somit eine große Verantwortung, erst recht als ein von den Betroffenen gewählter Vertreter.

 

Mit welchen Wünschen und Vorstellungen sind Sie in dieses Ehrenamt gegangen?

Ich möchte mein langjähriges, gesammeltes Wissen als Richter und Schwerbehindertenvertreter in meine ehrenamtliche Tätigkeit als Betroffenenvertreter im Stiftungsrat zum Wohle der Betroffenen einbringen und deren Interessen konstruktiv umsetzen. Als derzeit stellvertretendes Mitglied stehen mir hierzu leider nur beschränkte Möglichkeiten zur Verfügung.

 

Sie waren u.a. Richter, Hochschullehrer und Vertrauensperson im Schwerbehindertenbereich der Baden-Württembergischen Justiz. Welche der beruflichen Erfahrungen aus diesen verschiedenen Bereichen hat Sie am meisten geprägt? Welche dieser beruflichen Rollen waren für Sie persönlich die Wichtigste?

Am meisten hat mich sicher der Richterberuf erfüllt und geprägt, den ich mit großer Freude und Engagement ausgeübt habe. Andererseits waren meine Zeiten in der Lehre und meine Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter sehr interessant und gewinnbringend für mich – Zeiten, die ich nicht in meinem Leben missen wollte. Als ehemaliger Richter möchte ich meine Rechtskenntnisse, Verhandlungserfahrung und die Fähigkeit, Sachverhalte objektiv abzuwägen und verschiedene Positionen anzuhören, einbringen. Mit meiner langjährigen Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter verfüge ich über fundierte Kenntnisse im Schwerbehindertenrecht.

 

Sie setzen sich sehr für Inklusion ein, wurden selbst als Jugendlicher gefördert und hatten die Möglichkeit, ein Gymnasium zu besuchen und nach dem Abitur zu studieren. Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die wichtigsten Aspekte der Inklusion und wo stößt sie möglicherweise an ihre Grenzen?

Diese Frage könnte ein ganzes Buch füllen. Deshalb beschränke ich mich auf den Hinweis, dass die Inklusion eine wichtige staatliche Aufgabe ist, allerdings auch eine gesamtgesellschaftliche. Jeder einzelne von uns ist gefordert, aber ebenso sollten die Betroffenen ihren Beitrag leisten.

 

Sie haben als Person mit Conterganschädigung eine sehr erfolgreiche Karriere als Jurist gemacht. Sehen Sie sich als Vorbild für andere Menschen mit Behinderungen?

Ja, ich sehe ich mich als Vorbild für andere und möchte ihnen mit meiner Geschichte Mut machen, an sich selbst zu glauben und nicht zu vergessen, dass man als Mensch mit Handicap ebenso große Ziele vor Augen haben kann. Für mich war schnell klar, dass ich nur mit einer guten Schulausbildung Erfolg haben kann.

 

Eine solche Karriere zu machen ist für jeden – auch nichtbehinderten – Menschen oft sehr fordernd und anstrengend. Wie war das für Sie, woraus haben Sie Kraft geschöpft?

Den größten Rückhalt und die meiste Kraft erhielt ich durch meine jetzige Familie, die mich positiv geprägt und bestärkt hat, sowie in jungen Jahren durch meine Eltern, Geschwister und Freunde.

 

Sie haben sich während Ihres Berufslebens sehr für die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung stark gemacht. Warum ist das trotz fortschreitender Inklusion immer noch so wichtig?

Meiner Meinung nach ist die Inklusion bei weitem nicht derart fortgeschritten, dass die Schwerbehindertenvertretung überflüssig wäre.

 

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf bei der Integration von Menschen mit Behinderung ins Berufsleben?

Die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung sollte überall erheblich verbessert werden. Es müsste viel mehr Menschen die Möglichkeit eröffnet werden, eine Werkstatt für behinderte Menschen zu verlassen.

 

Welche Unterstützungen und Assistenzen nutzten Sie selbst in Ihrem Berufsalltag als Richter und Hochschullehrer?

Ich erhielt Unterstützung durch Assistenz und hatte entsprechende technische Einrichtungen zur Verfügung. Außerdem gab es für mich immer zahlreiche helfende Hände, die mir zur Seite gestanden haben.

 

Was möchten Sie in den kommenden Jahren im Stiftungsrat noch erreichen? Gibt es konkrete Ziele, die Sie sich vorgenommen haben?

Ein wichtiger Fokus sollte meiner Meinung nach auf die Herausforderungen des Älterwerdens der Betroffenen und deren besondere Situation gelegt werden. Auf diesem Gebiet gibt es eine Fülle an Themen. Wir Betroffenen haben nicht unendlich Zeit für diese Themen, deshalb möchte ich meinen Schwerpunkt auf die konstruktive Umsetzung realistischer und sinnvoller Ziele für die Betroffenen legen.

 

Weiterführende Links

Beitrag in juris "Mit Contergan-Handicap als Richter in der Justiz" von Prof. Dr. Taubner

 

 

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