Das Bild Bild eine Praktikantin und eine Anleiterin

„Manchmal ist man wie ein Detektiv auf Spurensuche.“

Im Rahmen ihres Studiums „Soziale Arbeit“ an der Katholischen Hochschule Köln absolviert Sabine Kuxdorf (rechts im Bild, mit ihrer Anleiterin) derzeit ein Praxissemester in der Geschäftsstelle der Conterganstiftung. Dort verstärkt sie den Beratungsbereich und erhält Einblicke in die verschiedenen Arbeitsbereiche. Wir haben sie nach ihren Erfahrungen gefragt – auch als jemand, der selbst blind ist.

 

Frau Kuxdorf, für Ihr Praxissemester im Studiengang „Soziale Arbeit“ ist Ihre Wahl auf die Conterganstiftung gefallen. Zufall?

Ein wenig, ja. Ich hatte mich mit verschiedenen Optionen befasst und auch anderweitig hospitiert. Die Soziale Arbeit betrifft ja viele gesellschaftliche Bereiche. An der Hochschule habe ich dann Frau Kringels aus dem Beratungsbereich der Conterganstiftung kennengelernt und durch sie erst erfahren, dass es die Conterganstiftung überhaupt gibt. So kam es dazu, dass ich dort mein Praktikum machen wollte. Das Thema Beratung ist für mich auf jeden Fall etwas, das ich mir beruflich sehr gut vorstellen kann.

 

Wie ist das Bachelor-Studium „Soziale Arbeit“ eigentlich aufgebaut?

Wir haben viele Bezugsdisziplinen und sind thematisch entsprechend breit aufgestellt, etwa mit Soziologie, Psychologie, Sozialmedizin, Sozialrecht oder auch Philosophie. Unsere Arbeit tangiert viele Bereiche. Das finde ich eben das Spannende. Auf Basis des Studiums kann man sich dann spezialisieren und sein eigenes Berufsfeld finden.

 

Was ist nach Ihrer Einschätzung das Besondere an der Conterganstiftung?

Man könnte jetzt sagen, die Stiftung ist eine weitere Einrichtung oder Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung. Aber das trifft es natürlich gar nicht. Contergan ist etwas Singuläres – in der Geschichte der Medizin, der Behinderung wie auch gesamtgesellschaftlich. Deshalb ist auch die Conterganstiftung etwas Besonderes. Sie ist mit nichts wirklich vergleichbar, der gesamte Entstehungskontext ist ein besonderer.

 

Welche Aufgaben übernehmen Sie im Beratungsbereich?

Zunächst habe ich viel Zeit bekommen, mich einzufinden, auch einzulesen. Denn die Conterganstiftung, das gesamte Thema Contergan, ist sehr komplex. Ich habe mich erst mal in die Tiefe der Themen begeben. Es ist immer jemand da, den ich fragen kann.

Dann habe ich mich gezielt mit der Beratungsarbeit beschäftigt. Zugehört, Fälle und Anfragen beobachtet, Prozesse begleitet und bin dann langsam in die schriftliche Beratung eingestiegen, später folgt dann die telefonische. Durch die Besonderheit des Conterganskandals sind die Beratungsanfragen auch immer sehr spezifisch. Der Beratungsbereich hat aber auch andere Aufgaben: Er ist zum Beispiel für die Etablierung der neuen medizinischen Kompetenzzentren verantwortlich. Auch hier arbeite ich mich ein.

 

Ihr Praxissemester dauert 100 Tage. Was erhoffen Sie, in dieser Zeit zu lernen?

Kurz gesagt: die praktische Umsetzung der Theorie. An der Hochschule habe ich theoretisch viel über Beratungsarbeit und Soziales gelernt. Nun kommt die praktische Anwendung hinzu. Das ist der Kern, praktische Erfahrungen sammeln, Prozesse durchleben und kennenlernen. Kaum ein Fall ist wie der andere. Ich war überrascht von der Vielfalt und dem unterschiedlichen Umfang der Anfragen. Wenn man dann bei einer konkreten Frage in die Recherche geht, fühlt man sich manchmal wie ein Detektiv auf Spurensuche.

 

Das Praxissemester beinhaltet auch eine Projektarbeit. Was ist das Ziel der Arbeit, was soll erreicht oder herausgefunden werden?

Dabei geht es in erster Linie darum, dass wir Studierende selbständig ein Projekt übernehmen. Man setzt sich damit auseinander, wie im konkreten Fall Theorie und Praxis zusammenfinden. Es geht darum, sich selbst zu überprüfen, eigene Ideen zu formulieren.

Soziale Arbeit hat viel mit Methodik zu tun und sie setzt darauf, Theorie und Praxis wirksam und nachhaltig zusammenzubringen. Wir müssen somit das Praktische, unsere eigenen Ideen und Erfahrungen in einer wissenschaftlichen Arbeit untermauern und begründen. Ich setze mich also mit den Erfahrungen und Theorien anderer anhand meiner eigenen auseinander.

Ziel meiner Projektarbeit ist es, das Thema Contergan, das ja bei der jüngeren Generation quasi unbekannt ist, niederschwellig bekannter zu machen. Daher plane ich eine aufklärende Podcast-Serie.

 

Sie sind blind. Wie funktioniert die Arbeit im Praktikum in Sachen Barrierefreiheit? 

In der Conterganstiftung ist man da sehr sensibilisiert. Als Blinde nutze ich spezielle Hard- und Software. Diese Hilfsmittel lassen sich grundsätzlich überall installieren, allerdings setzte hier der Datenschutz innerhalb der Behörde Grenzen. Ich habe daher neue Hilfsmittel beantragt, die zunächst aufgrund der vermeintlichen Doppelversorgung abgelehnt und sodann im Rahmen eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens bewilligt wurden. Nun konnte mein Standrechner in den Räumen der Geschäftsstelle ausgestattet werden. Wenn wir jedoch pandemiebedingt wieder ins Homeoffice wechseln müssten, würde es einer erneuten Installation auf einem Laptop bedürfen.

 

Barrierefreiheit – also nur ein frommer Wunsch?

Grundsätzlich gibt es noch Optimierungsbedarf. Allerdings haben mich die Conterganstiftung und das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sehr auf diesem Weg unterstützt. Sie machen alles möglich, dass ich reibungslos arbeiten kann. Dennoch machen sich nichtbehinderte Menschen wohl selten ein Bild davon, wie oft man im Alltag auf Schwierigkeiten trifft, an die niemand denkt, der selbst nicht betroffen ist.

 

Sie sind nun bereits sechs Wochen an Bord. Hat Sie etwas überrascht – positiv wie negativ?

Ich finde es einfach spannend, in die praktische Beratungsarbeit einzutauchen. Ich war überrascht, wie tagesaktuell die Beratungsanfragen sind. Positiv ist auf jeden Fall auch, dass die Menschen hier in der Stiftung alle engagiert, überzeugt und sehr empathisch sind. Die Kompetenz und die Leidenschaft bei der Arbeit sind sehr hoch. Das sind schon mal zentrale Eigenschaften für eine erfolgreiche Beratungsarbeit. Negativ ist nicht wirklich etwas. Ich kann mir daher gut vorstellen, später in diesem Bereich zu arbeiten.