Das Bild zeigt ein Glas gefüllt mit Cannabis und eine Waage, auf der es abgewogen wird

WAS KANN CANNABIS?

Vor drei Jahren wurde Cannabis wegen seiner entkrampfenden und schmerzlindernden Wirkung in Deutschland erstmals als Medikament zugelassen. Können seine Wirkstoffe auch Menschen mit Conterganschädigung bei ihren spezifischen Beschwerden helfen? Die Antworten darauf sind auch nach drei Jahren nicht einfacher geworden.

Seit 2017 dürfen Ärzte im Einzelfall Cannabinoide als Therapiealternative bei Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen einsetzen. Das Gesetz sieht vor, dass eine Verschreibung nach begründeter Einschätzung des behandelnden Arztes erfolgen kann, sofern eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome zu erwarten ist. Vor allem in der Schmerztherapie und bei bestimmten chronischen Erkrankungen kann das der Fall sein.

 

Schmerzlinderung auch für Menschen mit Conterganschädigung

Cannabinoide wirken gefäßerweiternd und muskelentspannend. Ebenso werden positive Wirkungen für die Psyche (also das „Seelenleben") als positiv beeinflussende (= psychotrope) oder euphorisierende Effekte beschrieben. Bei Menschen mit Fehlbildungen an den Extremitäten scheint speziell die muskelentspannende und schmerzlindernde Wirkung vorteilhaft.

Um Cannabis verordnet zu bekommen, muss eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen. Ein ärztliches Rezept ist Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Eine Beschränkung auf bestimmte Erkrankungen besteht nicht, weswegen es potenziell auch für Menschen mit Conterganschädigung für eine Therapie infrage kommen kann. Voraussetzung ist wiederum, dass es keine anderen Therapien gibt oder diese aufgrund von schweren Nebenwirkungen unzumutbar sind. Die zugrundeliegende Erkrankung muss zudem nicht konventionell „austherapiert“ sein und das Cannabinoid Aussicht auf Besserung versprechen. Hierbei reicht eine bloße Symptomlinderung.

 

Palliativmediziner von positiver Wirkung überzeugt

Nach Einschätzung von Schmerzmedizinern nehmen Cannabinoide in der schmerz- und palliativmedizinischen Versorgung inzwischen einen wichtigen Platz ein. Drei Jahre nach Einführung des Cannabis-Gesetzes besteht aber immer noch Verunsicherung bei der praktischen Anwendung der verschiedenen Cannabinoid-Wirkstoffe. Die Gründe liegen zum einen darin, dass die bisher durchgeführten Studien deren Wirksamkeit noch nicht eindeutig nachweisen konnten. Zum anderen gibt es noch keine umfassenden Handlungsempfehlungen von Ärzte- oder Fachgesellschaften zum therapeutischen Einsatz von Cannabinoiden. Ein weiterer Aspekt ist, dass Cannabis von Patient zu Patient unterschiedlich wirkt. Zudem kann die zeitgleiche Einnahme von anderen Medikamenten problematisch sein.

Im Rahmen des 30. Schmerz- und Palliativtags 2019 in Frankfurt/Main wiesen die Schmerzmediziner zuletzt darauf hin, dass man für den medizinischen Gebrauch von Cannabinoiden bei alleiniger Berücksichtigung der derzeit verfügbaren Studien oft zu anderen Einschätzungen gelangt, als sie im Versorgungsalltag durch Anwender berichtet werden. Mit anderen Worten: das Gefühl bei den Patienten ist oft ein anderes, als es die Befunde und Daten der Ärzte belegen.

 

Weitere Forschung notwendig?

Der Bedarf zur Anwendung von Cannabis sei allerdings so hoch, dass es unzumutbar sei, Schmerzpatienten auf langwierige Studien warten zu lassen, wie es der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), Dr. Johannes Horlemann, anmerkte.
Sein Kollege Dr. Rudolf Beyer schrieb vor zwei Jahren im CIP: „Erfahrungen aus meiner Contergansprechstunde haben gezeigt, dass einige Patienten unter der Therapie in einem stabil niedrigen Dosisbereich weniger muskuläre Verspannung und eine Schmerzreduktion angeben.“ Eine kleinere Anzahl von Patienten habe die Therapie allerdings aufgrund von Nebenwirkungen wie Verwirrung und Benommenheit sowie aufgrund von Wirkungslosigkeit auf eigenen Wunsch beendet.

Cannabinoide werden in der Regel jedoch gut vertragen, befanden die Ärzte bei ihrem Treffen in Frankfurt. Der Therapiestart sollte laut DGS jedoch in kleinen Schritten erfolgen und der Arzt auf Kontradiktionen achten – also auf Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, vor allem Schmerzmittel, sind zu prüfen. Würde dies beherzigt, seien aus Sicht der Schmerzmediziner weder zu Beginn noch im Rahmen einer langfristigen Therapie bedeutsame Nebenwirkungen zu erwarten. „Da bis heute keine generelle Vorhersage über den therapeutischen Effekt und auftretende Nebenwirkungen getroffen werden kann, sollte die Verordnung von Cannabinoiden ein individueller Therapieversuch bleiben“, sagt Beyer.

 

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